Am Abend näherte sich ein Gewitter aus Südwesten. Zunächst unauffällig, dann mit jeder Minute dynamischer. Kurz vor dem Eintreffen über dem Thunersee verstärkte sich die Zelle direkt über dem Niesen.

Was dann folgte, war aussergewöhnlich: Innert nur rund vier Minuten schlugen nahezu zwanzig Blitze direkt in die Flanken des Niesen ein. Die Einschläge erfolgten so dicht hintereinander, dass sie ein fast kontinuierliches Entladungsband bildeten. Auch die Infrastruktur am Berg war betroffen – die Niesenbahn musste am Folgetag aufgrund von Blitzschäden den Betrieb einstellen.

Das erste Foto ist ein Komposit aus mehreren Einzelaufnahmen, die genau diesen Zeitraum von rund vier Minuten abdecken. In dieser Spanne schlugen alle sichtbaren Blitze tatsächlich in den Niesen ein. Das Bild zeigt somit nicht etwas Zusammengesetztes, das nie gleichzeitig existiert hätte, sondern eine realistische Verdichtung eines extrem seltenen Gewittermoments.

Nachdem die Zelle über dem Niesen ihren Höhepunkt erreicht hatte, zog sie weiter nordostwärts. In der zweiten Phase trat ein weiteres seltenes Phänomen auf: Am Stockhorn entstanden vier Boden-Erdblitze. Diese Blitze beginnen nicht in der Wolke, sondern am Berg selbst – in diesem Fall an der Stockhornantenne – und verzweigen sich nach oben in die Wolkenbasis.

Auch das zweite Bild ist ein Komposit aus mehreren Einzelbelichtungen, allerdings weniger sauber bearbeitet als das Niesen-Komposit. Die Blitze stammen von demselben Gewitter und derselben Sequenz, doch einige Übergänge und Überlagerungen sind technisch sichtbar. Inhaltlich zeigt das Bild jedoch die realen Entladungen, die während dieser Phase rund um das Stockhorn stattfanden.

Solche Erd-zu-Wolke-Entladungen treten nur bei kräftigen Gewitterzellen auf, wenn die lokale elektrische Feldstärke über exponierten Berggipfeln extrem hoch wird. Das Stockhorn war in diesem Moment der stärkste Leiter der Region.

Diese Gewitterszene zeigt, wie eindrucksvoll die Kombination aus Topografie und Wetterlage im Berner Oberland wirken kann – und wie schnell aus einem gewöhnlichen Sommerabend ein extrem seltener, atmosphärischer Ausnahmezustand wird.